in Hamburg tagte vom 16. bis 17.02.2006 der erste Extremwetterkongress

Ansbachs Wetterexperte Hans-Martin Goede tauschte sich mit Fachleuten aus

Foto (von Michael Green): Frank Böttcher (Herausgeber des „Wettermagazin“) und Hans-Martin Goede
Foto (von Michael Green): Frank Böttcher (Herausgeber des „Wettermagazin“) und Hans-Martin Goede

18.02.2006, Ansbach (hmg) – Angesichts der immer mehr gehäuften Extrem-Hochwasser wie 2002 an der Elbe und 2005 im Allgäu, Hitzewellen in Europa wie im Sommer 2003 und meterhohem Schneechaos im Winter 2006 in Ostbayern bekam der seit langem vorbereitete 1. Extremwetterkongress in Hamburg vergangene Woche einen brisanten Hintergrund. Rund 450 Klimaexperten, Diplom- und Hobbymeteorologen kamen auf Einladung von Frank Böttcher, Herausgeber des gerade erst neu erschienenen „Wettermagazin“, und des renomierten Hamburger Max-Planck-Instituts in die Hansestadt an der Elbe. Mit dabei auch Ansbachs langjähriger Wetterexperte Hans-Martin Goede, der seit 1982 in Ansbach-Schalkhausen eine private Wetterstation betreibt und in der FLZ die Messungen seit 1988 regelmäßig veröffentlicht.
Der Grundtenor des Kongress zeigte, dass Deutschland sich auf spürbare klimatische Änderungen einstellen muß.

Foto (von Andreas Rosar): ZDF-Wetterfrontmann Dr. Gunther Tiersch im Gespräch mit Hans-Martin Goede
Foto (von Andreas Rosar): ZDF-Wetterfrontmann Dr. Gunther Tiersch im Gespräch mit Hans-Martin Goede

Die renomierten Klimaforscher Prof. Dr. Claussen von der Universität Hamburg (Direktor am Max-Planck-Institut) und Prof. Dr. Mojib Latif (vom Leibnitz-Institut für Meereswissenschaften, Ozeanzirkulation und Klimadynamik an der Universität Kiel) zeigten in ihren Vorträgen die schwerwiegenden Folgen des nun schon unwiderruflich eingesetzten Treibhauseffekts („Global Warming“) für den Erdball. Zwar sei das Wetter an sich im günstigsten Falle bis zu 14 Tage vorhersagbar, aber über diese Grenze wird man selbst in ferner Zukunft kaum hinauskommen, da der berühmte Schmetterlingseffekt dies schlichtweg verhindere. Klimaprognosen hingegen werden auf Grundlage langer Klimareihen und Umwelteinflüssen berechnet und können so wesentlich weiter in die Zukunft blicken.

Foto (Hans-Martin Goede): Prof. Dr. Mojib Latif (links) und Prof. Dr. Claussen (rechts)
Foto (Hans-Martin Goede): Prof. Dr. Mojib Latif (links) und Prof. Dr. Claussen (rechts)

Latif verglich die Klimaänderungen mit einem „gezinkten Würfel“, der „Sechser“ (Extremwetter) werde in Zukunft immer öfter fallen, die Verschiebung des Klimas hin zu milderen Wetterlagen lässt sich nicht mehr verhindern. Die Treibhausgasemissionen sind seit 1990 von 22 Milliarden Tonnen auf 27 Milliarden Tonnen im Jahr 2005 weltweit gestiegen, Deutschland rangiert nach den USA, China, Russland, Japan und Indien auf Platz sechs der größten CO2-Produzenten. Das Jahr 2005 war weltweit das bislang wärmste Jahr seit rund 1.000 Jahren. Latif rechnet je nach Modellrechnungen mit einer Erderwärmung bis zum Jahr 2100 um 1,2 bis 5,8 Grad. Verglichen mit dem Temperaturanstieg seit der letzten Eiszeit, der in 20.000 Jahren fünf Grad bescherte, sind fünf Grad in nun rund 100 Jahren als dramatisch anzusehen. Für Deutschland befürchtet Latif das Auftreten von sehr nassen Wintern speziell im Alpenraum und Tschechien sowie in Nordosteuropa. Die Fröste werden weniger werden, dafür die Hitzewellen sich deutlich vermehren, die Extremniederschläge weniger, dafür um so heftiger niedergehen. Eine „kleine Eiszeit“ in Mitteleuropa durch das Einschlafen des Golfstroms im Nordatlantik sieht Latif nicht: „Der Treibhauseffekt wird diese mögliche Abkühlung überkompensieren, es wird in Europa eben nicht ganz so extrem wärmer werden wie in anderen Teilen der Erde.“
Ebenso wie Mojib Latif sahen u.a. auch Tobias Grimm, Experte für Sturm und Wetterrisiken der Münchener Rückversicherungsgesellschaft, und Arved Fuchs (Polarforscher und Expeditionsleiter) dringenden Handlungsbedarf, um die Folgen des Treibhauseffekts zu minimieren: Spitzbergen nahe dem Nordpol war im Januar 2006 erstmals in seiner langen Besiedelungshistorie eisfrei, ja selbst die noch näher am Nordpol liegenden russischen Inseln Franz-Josef-Land waren mitten im Winter mit dem Schiff zu erreichen.

Dr. Daniela Jakob, Leiterin des Klimarechenzentrums in Hamburg eröffnete in ihrem Vortrag „Extremwetter auch in Deutschland?“ dem Fachpublikum ungeahnte Möglichkeiten für die Zukunft: Voraussichtlich ab Mai 2006 werden den Communities Zugänge zum Klimarechenzentrum gewährt, die den Forschern die Möglichkeit der regionalen Langfristklimaprognose eröffnen sollen: „Die Klimamodellierung werden wir vom globalen Gitterraster auf ein regionales Klimamodell mit einem Gitterpunktraster von zehn mal zehn Kilometern herunterrechnen können!“ Anhand von Deutschlandkarten gab sie dem Kongress schon die Möglichkeit einer Vorschau. Für Nordbayern und damit auch der mittelfränkischen Region ergeben sich aufgrund des regionalen Klimamodells spürbare Änderungen beim Niederschlag: der Trend zu mehr trockenen Monaten wird anhalten und nur noch durch kurze, dann aber heftige Extremniederschläge unterbrochen sein. Derzeit sind im Winter durchschnittlich an etwa fünf Tagen Starkniederschläge in der Region rund um Ansbach zu erwarten – das Regionalklimamodell sieht bis 2050 hier eine Verdoppelung auf mehr als zehn Tage. Die Sommermonate sind bislang von rund 20 Starkniederschlagstagen (vor allem mit Gewittern) geprägt – das neue Regionalmodell sieht bis 2050 für Mittelfranken hier ebenso eine Verdoppelung bei gleichzeitiger verstärkter Ausprägung von Hitzewellen. Es ist also in den nächsten Jahrzehnten in der Region vor allem in den Sommermonaten mit immer heftigeren Gewitter-Unwettern zu rechnen.

Foto (Hans-Martin Goede): Die Podiumsdiskussion zu Unwetterwarnungen in Deutschland brachte kein Ergebnis. V.l.n.r.: Dr. Gerhard Steinhorst (DWD), Dr. Gunther Tiersch (ZDF), Moderator Peter Mücke (NDRinfo), Marco Kaschuba (Fachjournalist) und Jörg Kachelmann (Meteomedia AG)
Foto (Hans-Martin Goede): Die Podiumsdiskussion zu Unwetterwarnungen in Deutschland brachte kein Ergebnis. V.l.n.r.: Dr. Gerhard Steinhorst (DWD), Dr. Gunther Tiersch (ZDF), Moderator Peter Mücke (NDRinfo), Marco Kaschuba (Fachjournalist) und Jörg Kachelmann (Meteomedia AG)

Auch der wohl bekannteste Medien-Meteorologe Jörg Kachelmann, der auch eine Wetterstation in Elpersdorf unterhält, sieht dringenden Handlungsbedarf beim Bau von neuen Wetterstationen im Bundesgebiet, damit regionale Wetterprognosen noch genauer erstellt werden und bislang nicht entdeckte Extremwetter erfasst werden können.
In der abschließenden Podiumsdiskussion zwischen Dr. Gerhard Steinhorst (Vostandsmitglied des DWD), Dr. Gunther Tiersch (ZDF-Wetter), Marco Kaschuba (Unwetterfachjournalist) und Jörg Kachelmann (Meteomedia AG, Schweiz) wurde heftigst um die seit dem Weihnachtsorkan Lothar 1999 und dem Elbehochwasser 2002 immer öfter unkoordiniert herausgegebenen Unwetterwarnungen der verschiedensten Anbieter gestritten. Während Steinhorst auf den für den DWD gesetzlich verankerten Anspruch der amtlichen Unwetterwarnungen und damit auf dem kürzlichst formulierten „Single-Voice“-Prinzip besteht, beließ Medien-Wetterfrosch Kachelmann es lapidar beim „möge der Bessere gewinnen!“. Sowohl Thiersch wie Kaschuba wiesen auf die durch die zwei Kontrahenten entstandenen Unsicherheiten in der Bevölkerung hin, zumal es noch nicht einmal eine einheitliche Warnstufenabsprache zwischen DWD und der Unwetterzentrale gebe. Zurecht wies Steinhorst darauf hin, dass Unwetterwarnungen, wie sie vom DWD auch beim Alpenhochwasser im August 2005 im Allgäu rechtzeitig an den Katastrophenstab gegeben wurden, auch in Zukunft von der sicheren staatlichen Seite kommen müssen – denn auch ein Kachelmann „kann nicht ewig leben“, eine staatliche Struktur jedoch schon eher. Dieser Streit zwischen dem Deutschen Wetterdienst und den privaten Wetteranbietern konnte auch durch diese letztlich das Publikum einbindende Diskussion nicht gelöst werden – obwohl sich am Ende selbst Dr. Claussen von der Universität Hamburg als „Wetter-TÜV“ mit den Hochschulen und der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG) anbot.
Der Extremwetterkongress wird auch 2007 wieder in Hamburg stattfinden, 2008 wird der Kongress in Bremerhaven zur Eröffnung des „Klimahaus 8 Grad Ost“ erneut einberufen.